Familienbande

Unsere Firma war schon immer ein Familienbetrieb – und hat sich vom Einmann-Lohnbetrieb zum gemeinsamen Handelsgeschäft entwickelt. Aber lassen Sie mich einfach kurz berichten: Die Firma Carl Klostermann Söhne wurde am 1. Oktober 1891 durch meinen Urgroßvater Carl Klostermann gegründet. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Flechtartikel aller Art zu produzieren – und war damit sehr erfolgreich. 1922 traten dann seine beiden Söhne Carl und Heinrich in das Unternehmen ein und spezialisierten sich auf die Herstellung von Schuhsenkeln. Nach Kriegsende übernahmen die Söhne des Carl Klostermann, Karl und Heinz die Verantwortung und bauten das Unternehmen weiter aus – um es schließlich 1991 bzw. 1998 an mich und meinen Ehemann zu übergeben.

An alte Traditionen anknüpfen

2002 gelang es uns, Produktionsanteile eines Wuppertaler Traditionsunternehmen zu erwerben und somit auch den Erhalt alter Litzenmaschinen zu sichern. Auf diesen Maschinen flechten wir heute noch – und stellen neben Gummilitzen und Knopflochgummilitzen auch feinste Schuhbänder her.

Ob Kaiser oder Kanzler – Schnürbänder gehen immer

Es ist wieder ein schneereicher Winter im Bergischen Land. Erst zwei Jahre ist der Krieg vorbei, dem man später eine Zahl voranstellen wird: 1. Weltkrieg. Die Familie hat die Zeit gut überstanden, und auch die Firma Carl Klostermann konnte ihre Maschinen laufen lassen. Dabei haben sich die zukünftigen Geschäftsführer Carl junior und Heinrich Klostermann als gutes Gespann herausgestellt, das immer wieder Lösungen für die Produktion gefunden hat, wenn Rohstoffmangel um 1930 Opa Heinrich und Großonkel Carl jun. führen seit zehn Jahren die Geschäfte. Neue Impulse nehmen sie gern auf, so auch moderne Ideen der „Reklame“ zur Improvisation zwang. Beide haben ihr Gewerk ausgiebig gelernt, denn Carl senior hatte sie schon früh an die Firma herangeführt und ihnen alle Kniffe und Tricks gezeigt. Er hat ihnen erklärt, wie man ehrlich verhandelt, man vielleicht hier und da das eine oder andere auslässt, und man so stets das Beste erreicht. Und welche Kniffe in der Produktion zu tun sind, damit die hergestellten Bänder und Riemen auch die Qualität bieten, für die der Familienname Klostermann stehen muss. Jetzt, im kalten Januar 1920 starten Carl junior und Heinrich in ihr Die zweite Generation entdeckt die moderne Reklame. Ihre Ideen werden lange noch nachhallen Ob Kaiser oder Kanzler – Schnürbänder gehen immer erstes Jahr als alleinige Geschäftsführer. Der Kaiser wurde ins Exil vertrieben, eine junge Republik ist entstanden. Vor den beiden liegen die Jahre einer schlimmen Inflation, kämpferische Aufstände zwischen französischen Soldaten und Wuppertaler Freikorps sowie der weltweite Zusammenbruch der Wirtschaft.

Opa Carls geheimes Wissen

In den 20er Jahren, als Carl jun. und Heinrich die Firma übernehmen, gibt es noch keine geregelten Berufsausbildungen. Das notwendige Wissen wird vom Älteren an den Jüngeren weitergegeben. Vom Meister an den Lehrling, vom Vorarbeiter an den Arbeiter. Und natürlich auch vom Vater an die Söhne. Wir freuen uns sehr, in unserem Archiv eine dicke Kladde gefunden zu haben mit Aufzeichnungen, Notizen und Maschinenstellungen für die Produktion von vielen unterschiedlichen Flechtarbeiten. Wie ein Chefkoch seine Lieblingsrezepte sammelt, haben die Klostermänner hier ihre Produktionsanweisungen zusammengetragen. Mit den Jahren ist dadurch ein dickes und ausführliches Manuskript der Flecht-Technologie entstanden. Heute erfahren wir dadurch, über welches Fachwissen unsere Vorfahren bereits verfügten. Und wir erkennen, dass es eben kein Zufall ist, dass die Carl Klostermann Söhne so viele Jahre Bestand hat. Denn von Anfang an wurde die Produktion nach besten Kräften vorbereitet und die Qualität durchgehend überwacht. Damals dachte man bestimmt noch nicht an die Optimierung der Effizienz durch Verringerung des Ausschusses. Oder an das Schaffen einer durchgehenden Produktqualität, um die Eigenschaften eines Markenartikels sicherzustellen. Damals hat man einfach sein Bestes gegeben. Weil man das eben so tut. Im Bergischem Land. Bei Familie Klostermann.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde es erneut Zeit für einen Generationswechsel bei Carl Klostermann Söhne. Großvater Carl „junior“ war noch im Krieg verstorben, für Onkel Heinrich wurde es mehr und mehr beschwerlich, die Verantwortung der Firma allein fortzuführen. 1945 war er seit 25 Jahren Geschäftsführer, und wie schon sein Vater hatte er die Firma durch mehrere Krisen und durch einen Krieg geführt. Mitte der 40er Jahre übernahm daher sein Sohn Karl Klostermann die Geschäftsführung und führte seinen 8 Jahre jüngeren Bruder Heinz in das Unternehmen ein. Onkel Heinrich blieb als Ratgeber weiterhin am Tagesgeschäft beteiligt, zog sich aber langsam zurück, um seinen wohlverdienten Ruhestand zu genießen. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen – denn auch die beiden neuen Chefs sahen sich vielen Herausforderungen gegenüber, die eine Nachkriegszeit mit sich bringt…Mangelversorgung allenthalben und eine fast nicht mehr vorhandene Marktwirtschaft. Es war das große Glück der Firma Carl Klostermann Söhne, dass die früher einmal erworbenen Produktionsmaschinen von größter Qualität waren, ständig gut gewartet wurden und auch die Kriegsschäden schnell beseitigt werden konnten. Es fehlte wieder einmal an Rohstoffen, vor allem aber an Infrastruktur für den Verkauf der eigenen Produkte und an einem Zahlungsmittel, auf das die Bevölkerung vertrauen konnte.
1948, als sich die junge Republik mit der DM auch eine neue Währung gab, ändert sich über Nacht alles. Auch, wenn Deutschland in Trümmern lag, eine neue Hoffnung war zu spüren. Und Karl und Heinz konnten bald verkünden, dass die Firma Carl Klostermann ihre Produkte jetzt wieder in erstklassiger „Vorkriegs-Qualität“ zur Verfügung stellen kann.

Natürlich…auch der beliebte „Goldsenkel“ war jetzt wieder zu haben, ab Mitte der 50er Jahre sogar schöner als je zuvor ! Mit dem Aufblühen der Wirtschaft stieg die Nachfrage rasant; die Menschen in Deutschland waren hungrig nach neuen Produkten. So wurden immer neue Variationen des Goldsenkels angeboten – Schnürsenkel in neuen, leuchtenden Farben für modisches Schuhwerk, lange lachsfarbene Bänder für Miederwaren, zweifarbig gewebte Riemen für Sportschuhe oder innovative Senkel weil „perlonverstärkt“. Karl und Heinz haben die Glut aufgenommen und das Feuer neu entfacht – und immer den gleichen Ideenreichtum bewiesen wie ihre Vorfahren. Denn auch der 3. Generation war das Streben nach handwerklicher Qualität in Kombination mit kaufmännischem Geschick mitgegeben. Sie erkannten die Zeichen der Zeit und bauten auf moderne Werbemaßnahmen, um den „Goldsenkel“ als Markenprodukt in der Erinnerung der Kunden wach zu halten. Für den neuen Trend der Selbstbedienungsläden entwickelten sie hübsche Verkaufskartons, die es Kunden einfach machten, den passenden Schnürsenkel zu finden. Der Erfolg der Werbekampagnen machte „Goldsenkel“ fast zu einem Gattungsbegriff für alle Schnürsenkel, ähnlich wie wir heute noch „Uhu“ sagen, wenn wir einen Alleskleber meinen. So erfreulich der Erfolg auch war…der bei den Kunden beliebte „Goldsenkel“ rief Mitte der 50er Jahre auch viele Trittbrettfahrer auf den Plan, die ganz dreist ebenfalls mit „Goldsenkel“ beschriftete Schnürsenkel auf den Markt brachten. Und es wurden stetig mehr! So viele Ideen die Klostermänner auch immer hatten…leider hatten sie es versäumt, in früherer Zeit Markenschutz für den „Goldsenkel“ eintragen zu lassen!